Róisín steht vor den Scherben ihres Lebens als ihr Mann ihr verkündet, dass er die Scheidung will. Kurzerhand zieht sie in ein kleines Haus an der Nordsee und ordnet ihr Leben neu. Sie macht neue Bekanntschaften und steht vor neuen Herausforderungen. Dennoch kann sie vor ihrem alten Leben nicht davon laufen und muss sich ihrer Vergangenheit stellen.
Meine Meinung:
Bei dem Roman „Das kleine Haus am Deich“ bin ich tatsächlich mit völlig falschen Erwartungen rangegangen. Ich erwartete etwas in dem Stil von „Die kleine Bäckerei am Strandweg“, weil – mal ehrlich – Cover, Titel und Beschreibung sehr an eine solche Geschichte erinnern. Auch gibt der Verlag die Genre “Frauenunterhaltung” und “Liebesroman” an, die den Leser auf eine falsche Fährte locken. Denn dieser Roman ist anders. Er ist nüchterner, weniger wohlig und gerade die Protagonistin hat einige Kanten.
Zunächst war ich also ziemlich irritiert, denn mir begegneten Schimpfworte und harte Ausdrucksweisen. Tatsächlich brauchte ich gut 30 % um in die Geschichte zu kommen und mich zu akklimatisieren. Der Schreibstil war gut und es ließ sich wirklich locker lesen – die Schimpfwörter wurden glücklicherweise auch weniger mit der Zeit, sodass ich durch sie aus nicht aus dem Fluss geholt wurde. (Tatsächlich werden die Wörter im Buch sogar noch thematisiert, weil sich ein Bekannter der Protagonistin auch daran stört.)
Mir gefiel es, dass Róisín so anders war als die üblichen 08 / 15 Protagonisten. Sie war nicht vorhersehbar und überraschte mich öfters, zum Beispiel mit krasser Frisur oder der Adoption eines hilfebedürftigen Pferdes. Dennoch konnte ich sie bis zuletzt nicht richtig einschätzen. Vielleicht auch, weil ich persönlich keine Überschneidungen mit ihr hatte und mich somit nicht in sie hinein versetzen konnte. Ihre Gefühle wechselten häufig, während ich ihre Wut und Trauer bzgl. ihres Ex-Manns nah fühlen konnte, war die Schwärmerei / Verliebtheit leider nicht so intensiv bei mir angekommen.
Die Beziehung zu Enda fiel für mich in dieselbe Kategorie. Als Freundschaft gefiel mir die Konstellation sehr gut und ich mochte gerade den Beginn der Beziehung zwischen den beiden. Ihre gemeinsame Liebe zu Tieren war wirklich schön zu beobachten. Dennoch spürte ich die wachsenden Gefühle nicht. Enda blieb für mich zu blass und seinen Charaktere konnte ich ebenfalls nicht richtig einschätzen. Gern hätte er mehr Kanten haben können, oder einen Gegenpol zu Róisín darstellen können.
Die beiden waren sehr harmonisch, was der Dramaturgie der Geschichte leider nicht guttat. So sehr mich Róisín mit Handlungen und ihrer Art ständig wieder überraschte, so war die Romanze langweilig und vorhersehbar. Ein Teil der Geschichte baute auf ihrer Beziehung auf, ich wünschte mir, das Verarbeiten ihrer vergangenen Beziehung hätte mehr Luft gefunden. Oder wie sie wieder auf die Beine kommt, verschiedene Phasen durchläuft. Hier war viel Potential!
Wenn man mit den richtigen Erwartungen an die Geschichte geht, wird man mit Sicherheit viel Freude daran haben. Das Setting an der Nordsee hat mir gut gefallen, die Darstellung einer nicht üblichen Lebensweise und gerade der Teil mit der Pferdeadaption hat mir sehr gut gefallen!
Fazit:
Bei “Das kleine Haus am Deich” darf man sich nicht von Titel und Cover fehlleiten lassen. Hier verbirgt sich kein heile-Welt-Roman, sondern die Geschichte einer Frau, die sich nach einer harten Trennung ihr Leben zurückerobert und sich neu entdeckt. Mir gefiel die Andersheit – die Liebe zu Tieren, die sich ebenfalls in der Geschichte verbirgt, und das Setting an der Nordsee. Gern hätte ich etwas mehr Wohlfühlmomente genossen und hätte mir eine etwas komplexere Liebesgeschichte gewünscht, so blieb die Geschichten im Gesamten leider eher blass.
Danke an…
… den Forever by Ullstein Verlag und Netgalley für mein Rezensionsexemplar!
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